Arnold Preuß ist Leiter des Theaters am Meer, Vorsitzender und Präsident des Bühnenbundes - WZ-Foto: LÜBBE
Der Standort des Theaters in der Kieler Straße feiert diese Spielzeit Jubiläum. Preuß verrät, ob die plattdeutsche Sprache seiner Meinung nach noch eine Zukunft hat.
VON JULIANE MINOW
WZ: Herr Preuß, seit wann gibt es das Theater am Meer in Wilhelmshaven?
ARNOLD PREUß: Genau seit dem 28. September 1932.
WZ: Wie und warum ist es entstanden?
PREUß: Aus dem Heimatverein ,,Die Boje". Damals wurde ein Seebade-, ein Heirnat- und ein Verkehrsverein gegründet. Aus dem Teil des Heimatvereins, der sich später ,,Die Boje" nannte, haben sich die Plattdeutsch-Spielen-Wollenden verabschiedet, um die Niederdeutsche Bühne ,,Rüstringen" zu gründen. Und: Das Ganze war eine überregionale Beweguug im gesamten norddeutschen Bereich. Die moisten Niederdeutschen Bühnen wurden in den l920er Jahren aus dem Bedürfnis heraus gegründet, einen Gegenpol zum ständischen, hochdeutschen Thealer zu schaffen. Die Bevölkerung hatte teilweise Probleme, die Stücke zu verstehen und wollte Theater in ihrer Sprache.
WZ: Woher kommt das Vorurteil, dass Niederdeutsche Bühnen eher Unterhaltungstheater als ernstes Theater bieten?
PREUß: Tatsächlich war es so, dass das Theater am Meer in Wilhelmshaven schon früh mehr ernstes Theater als Unterhaltungstheater gespielt hat. Grundsätzlich aber kommt das daher, dass andere Bühnen aus profitableren Gründen eher unterhaltende Stücke gespielt haben und sie ungefähr ab den 50er ]ahren auch im Fernsehen übertragen wurden. Da ging es eben auch schon um Einschaltquoten. Aber letztlich ist Niederdeutsch nur eine Sprache, mit der man alles machen kann - ernst und humorvoll.
WZ: Wie ist es nach der Gründung mit dem Theater am Meer weitergegangen? Was ist im Nationalsozialismus passiert?
PREUß: Das Theater war schon in den ersten Jahren ziemlich erfolgreich und hat mit seinen Freilichtaufführungen teilweise 35.000 Menschen erreicht. 1939 wurde der Betrieb eingestellt. Nach dem Krieg, ungefähr 48/49, setzten sich die einstigen Gründer dafür ein, dass das Theater wieder auflebt.
WZ: Wo war das TaM damals räumlich angesiedelt?
PREUß: 1952 wurde das Stadttheater eingeweiht. Da hat der Kulturdezernent sich dafür eingesetzt, , dass dort das gesamte kulturelle Spektorum spielen darf, also nicht nur die Landesbühne, sondern auch das Niederdeutsche Theater. Dort haben wir bnis 2010 gespielt und sind dann in die jetzigen Räume an die Kieler Straße gezogen. Ich war damals mit einer anderen Kollegin, Marion Zomerland, zusammen in der Bühnenleitung und habe mich an dieses Gebäude erinnert. Am Anfang konnte ich mir nicht so richtig vorstellen, dass man hier Theater machen kann. Gemeinsam haben wir das dann aber so hergerichtet, das wir heutzutage hier alles haben, was ein Theater braucht. Das war ein großes Gemeinschaftswerkt aller knapp 90 ehrenamtlichen Mitglieder.
WZ: Wie sind Sie denn zum Theater am Meer gekommen?
PREUß: Wie so Vieles in meinem Leben durch Zufall. Ich habe in der Schule Theater gespielt, das hat bei mir die Leidenschaft geweckt. Als ich Azubi bei der Stadt war, habe ich einer Kollegin erzählt, dass ich gerne wieder Theater spielen würde, weil mir wieder eingefallen war, wie viel Spaß mir das mal gemacht hat. Da sagte sie: Meine Mutter ist bei der Niederdeutschen Bühne, komm doch mal vorbei. Das war Anfang der 70er Jahre. Das erste Mal habe ich 1972 gespielt.
WZ: Und seitdem sind Sie nicht nur dabei geblieben, sondern mittlerweile auch künstlerischer Leiter des Theaters am Meer und Vorsitzender des gemeinnützigen Trägervereins. Das heißt doch, dass es so schlecht nicht sein kann, oder?
PREUß: Nein, im Gegenteil. Es macht immer noch wahnsinnig viel Spaß. Ich habe bei der Niederdeutschen Bühne unglaublich viel gelernt und bin sehr froh, dass alles so gekommen ist.
WZ: Warum glauben Sie, dass Niederdeutsches Theater gerade heutzutage wichtig ist?
PREUß: Weil ich ein hoffnungsloser Optimist bin. Als ich beim Theater am Meer anfing, haben mir die älteren Schauspieler gesagt: In ein paar Jahren gibt es Plattdeutsch sowieso nicht mehr. Das ist einige Zeit her und bislang ist dieser Fall nicht eingetreten, im Gegenteil: Ich habe eher das Gefühl, dass die Sprache heutzutage mehr denn je gefördert wird – in Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen. Wir merken auch, dass wieder viele junge Leute zu uns ans Theater am Meer kommen. Es ist toll, mit welcher Begeisterung sie dabei sind. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass Niederdeutsch auch in Zukunft Bestand hat.
WZ: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
PREUß: Aktuelle Überlegungen sind, ob wir ein Angebot im Sommer schaffen, um auch den Touristen in der Stadt etwas zu bieten – vielleicht sogar Freilichttheater, was es hier lange nicht gegegen hat. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass ich in nächster Zeit eine Nachfolge finde. Ich bin zwar jetzt Pensionär und habe mehr Zeit, aber ich merke, dass es gut wäre, wenn ich wüsste, wie es in drei, vier, fünf Jahren weitergeht – auch wenn ich weiterhin für das Theater am Meer da bin. Vielleicht nach dem 90. Theater-Geburtstag, der 2022 ansteht, wäre ich bereit, etwas kürzer zu treten.
Nun ja, ich bin Arnold Preuß, geboren in Wilhelmshaven und lebe ich auch heute noch [zunehmend gern!] in der grünen Nordseestadt hinter dem schützenden Deich am Meer.
Theater am Meer
Seit fast 50 Jahren (genau seit 1972) spiele und inszeniere ich als Mitglied des "Theater am Meer - Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven" Theaterstücke in Niederdeutscher Sprache. Dabei habe ich es auf fast 100 gespielte Rollen und 60 Inszenierungen gebracht. Gelegentlich gastiere ich auch gelegentlich dort, wo es eine interessante Rolle (auch hochdeutsche) zu spielen oder ein faszinierendes Stück zu inszenieren gibt.
Übersetzer
Zum Übersetzen hat mich meine Tätigkeit als Leiter des Theaters am Meer gebracht. Die Palette an original in Niederdeutscher Sprache geschriebenen Stücken hat mir nicht mehr ausgereicht. Ich wollte den Spielplan unseres Theaters um Themen, Typen und Texte aus anderen Sprachräumen ergänzen. So fing ich mit einer Übersetzung von Brecht an. Das machte mir so viel Spaß, dass auch Werke von Gogol, Moliere, Hebbel und Goldoni den Weg auf die niederdeutsche Theaterbühne fanden. Später kamen noch Übersetzungen von Stücke aus dem vorwiegend englischsprachigen Raum dazu, weil mir als Regisseur der englische, schwarze Humor besonders gut gefällt und wie man an Aufführungszahlen ablesen kann, dem niederdeutschen Publikum offensichtlich auch. Mitlerweile habe ich rund 60 Theaterstücke in die Niederdeutsche Sprache übersetzt.
Seminare + Sprecher
Seit einigen Jahren werde ich auch als Seminarreferent für das breite Spektrum des Theaterspielens angefordert. Neuerdings bin ich auch als Sprecher tätig.
Landesbühne Niedersachsen Nord
Von 1987 an war ich Verwaltungsdirektor später dann kaufmännischer Geschäftsführer der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven. Von 1996 bis 1998 war ich in Personalunion zugleich auch interimistisch der künstlerische Geschäftsführer, der die Aufgaben des Intendanten mit übernahm. In meiner Zeit an der Landesbühne war er auch Mitglied im Ensemble und spielte in Wilhelmshaven und im Spielgebiet einige Rollen unter nahmhaften Regisseuren wie Herbert Adamec, Thierry Bruehl, Jegor Wyssozki und Donald Berkenhoff. Bei diesen Kollegen habe ich künstlerisch eine Menge lernen.
Heute bin ich wieder mit großer Liebe, Lust und Leidenschaft an "meinem" Theater am Meer.