Wilhelmshavener Zeitung 30. Juli 2024
Arnold Preuß: „Plattdüütsch is en Hartensspraak“
SPRACHE - Für „Theater am Meer“-Leiter gehört Platt zur Region – Im ländlichen Raum verbreiteter als in Städten
FRIESLAND/WILHELMSHAVEN. (FAB) Plattdeutsch ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das Niederdeutsche, die Sprache des Nordens. In ganz Niedersachsen leben „Plattsnacker“ – alleine sechs unterschiedliche „Plattdüütsch“-Dialekte werden in Norddeutschland gesprochen.
Anerkannte Regionalsprache
„Plattdeutsch war sicherlich mal eine Weltsprache“, sagt Arnold Preuß, Leiter des Theaters am Meer, der Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven . Zu Zeiten der Hanse, zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert, war Plattdeutsch nicht nur die wichtigste gesprochene Sprache in Norddeutschland, sondern auch eine angesehene Schriftsprache. Mit dem Niedergang der Hanse in der Mitte des 15. Jahrhunderts verlor das Platt allmählich an Bedeutung und Hochdeutsch wurde immer wesentlicher. „Heute ist Platt noch immer eine anerkannte Regionalsprache und gehört einfach zu dieser Region“, erzählt Preuß. Das Plattdüütskbüro der Ostfriesischen Landschaft hat im September 2023 eine Umfrage zur plattdeutschen Sprach- und Verstehenskompetenz in Ostfriesland gemacht. Mehr als 58 Prozent der 2637 Befragten gaben dabei an, gut bis sehr gut Plattdeutsch zu sprechen und mehr als 84 Prozent von ihnen, Platt gut bis sehr gut verstehen zu können.
Umfassende Förderung nötig
Die Oldenburgische Landschaft, die sich für den Gebrauch der Regionalsprache in ihrem Gebiet, darunter die Stadt Wilhelmshaven und der Landkreis Friesland, einsetzt, hat solche Erhebungen nicht. „Eine repräsentative Studie oder Umfrage zum quantitativen Gebrauch des Niederdeutschen haben wir in unserem Bereich nicht“, erklärt Stefan Meyer, Diplom-Sozialwissenschaftler bei der Oldenburgischen Landschaft. Die letzte Erhebung zur Verwendung der Niederdeutschen Sprache habe das Bremer Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) im Jahr 2016 gemacht.
Diese sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine „existenzielle Bedrohung“ der Regionalsprache noch keinesfalls gestoppt und noch weitere Anstrengungen sowie eine umfassende Förderung erforderlich seien. „Der subjektive Eindruck, dass das Niederdeutsche im ländlichen Raum verbreiteter ist als im urbanen Raum, hat sich dort bestätigt“, berichtet Meyer, da Städte mehr Menschen aus nicht-plattdeutschen Gebieten anziehen würden. Aber weil es sich um eine regionale Sprache handelt, müsse sie bewahrt werden, findet Meyer: „Eine Regionalsprache bietet neben einem Bekenntnis zu einer Region zugleich die Möglichkeit der regionalen Identität.“ Ähnlich sagt es Preuß – und zwar auf Platt: „Plattdüütsch is en Hartenspraak“ – eben eine Herzenssprache.
Hör- und Sprachverständnis
Wie es in Jever mit dem Gebrauch und dem Verständnis des Plattdeutschen aussieht, zeigt ein kleines Stimmungsbild. „Ich spreche es mit meinen Geschwistern und Freunden“, erzählt Ute Smidt aus Jever. „Man verlernt es einfach nicht.“ Elke Leiner, die in der Region aufgewachsen ist, beherrscht Platt ebenfalls: „Ich komme aus Ostfriesland, da bin ich geboren und wohne seit vielen Jahrzehnten in Jever. Ich bin mit der Sprache groß geworden.“
Heinz Mehrtens, der aus Ritterhude in der Nähe von Bremen stammt und derzeit mit seiner Frau Jever besucht, kennt das Niederdeutsche von seinen Großeltern: „Die beiden haben miteinander immer Platt gesprochen. Da ist natürlich auch bei mir etwas hängen geblieben. Heute verstehe ich es besser, als ich es spreche.“ Einen Wunsch zum Erhalt der Sprache hat Anne Anslik, die in Oldenburg in Holstein geboren ist, aber bereits seit vielen Jahren in Köln lebt: „Es wäre schön, wenn Kinder wieder vermehrt Platt sprechen würden.“
Förderung in den Schulen
Plattdeutsch für Schüler interessant zu machen ist das Ziel des Projekts „Platt is cool“, das 2009 in Niedersachsen von neun Landschaften und Landschaftsverbänden und der Landesschulbehörde ins Leben gerufen wurde und vom Kultusministerium unterstützt wird. Die Oldenburgische Landschaft hat zudem den Wettbewerb „Plattsounds“ initiiert für Nachwuchsbands aller Musikrichtungen aus Niedersachsen. Besonderheit: alle Beiträge müssen auf Plattdeutsch sein. Das Niedersächsische Kultusministerium zeichnet zudem regelmäßig Schulen aus, die sich in besonderer Weise für die Region sowie die Sprachen Niederdeutsch und Saterfriesisch (gesprochen in der Gemeinde Saterland) einsetzen. Die Besonderheiten des Niederdeutschen hob schon 1976 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt heraus: „Das Niederdeutsche ist ein Teil unserer Kultur mit eigenständiger Prosa und Poesie. Schon aus diesem Grunde sollte es gepflegt werden. Vielleicht sollten wir nicht nur Naturschutz und Denkmalschutz betreiben, sondern auch Sprachschutz.“ Gelingt es, junge Menschen für Platt zu interessieren, wird sicher auch der Wunsch von Arnold Preuß wahr werden: „Als Regionalsprache wird das Plattdeutsch hoffentlich noch lange bestehen.“
Medieninformation Nr. 2 | 01. Juli 2024
„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“ – Spielplan 2024/25 vorgestellt
„Theater am Meer“ will Publikum mit fünf thematisch vielfältigen Stücken unterhalten
Unser Spielplan 2024/25
ACHTERTÜSCHE SÜSTERN
(Die gefälschte Wahrheit)
Komödie von Peter Buchholz, Niederdeutsch von Kerstin Stölting
DE VÖRNAAM
(Der Vorname, Le Prenom)
Komödie von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière, Niederdeutsch von Kerstin Stölting
Ein gemütlicher Abend soll es werden in der schlicht und stilvoll eingerichteten Wohnung des Literaturprofessors Paul Blohm und seiner Frau Charlotte. Nur Freunde und Familie sind zu Gast: Charlottes Bruder Christoph mit seiner schwangeren Frau Anna, dazu Kay König, Posaunist und Freund seit Kindertagen. Für Christoph, einen begnadeten Selbstdarsteller, ist die Runde zu friedlich. Um für "Stimmung" zu sorgen, enthüllt er den fassungslosen Freunden den geplanten Vornamen seines noch ungeborenen Sohnes: Adolphe. Die Debatte um die Frage, ob man sein Kind nach Hitler benennen darf, ist nur eine der hitzigen Diskussionen dieses Abends, aber sie führt dazu, dass das bisher so gemütliche Familientreffen plötzlich aus dem Ruder läuft. Denn die Jugendfreunde Paul und Christoph sind nun in der Laune, sich endlich einmal ein paar Wahrheiten zu sagen, die man im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens besser verschweigen würde. Beträchtliche Eitelkeiten treffen nun aufeinander, mit geschwollenen Kämmen hacken die Kampfhähne aufeinander ein. Mit Lust und Niveau werden Wortgefechte ausgetragen - doch die Contenance verlieren die Alphatiere erst, als Charlottes und Christophs Mutter Ellen in einer Weise ins Spiel kommt, die sich niemand hat träumen lassen. Wortwitz und Dialoge in der besten Tradition der französischen kritischen Gesellschaftskomödie treiben atemlos eine Handlung voran, die bei aller Komik auch manchen ahnungsvollen Blick in die Abgründe der Figuren erlaubt. Ein Fest für fünf gut aufgelegte Schauspieler und vor allem für die Zuschauer.
EIN SOMMERABEND IM WINTERGARTEN
(Dangerous Obsession)
Psychothriller von Norman J. Crisp, Deutsch von Renate und Christian
Medieninformation Nr. 1 vom 29. Juni 2024
KULTUR Jahreshauptversammlung des „Theaters am Meer“ mit Besucherplus Spielzeit 2023/24
Viele langjährige Mitglieder geehrt – Wilma Welte Ehrenmitglied
WILHELMSHAVEN/AP – Auf der gestrigen Jahreshauptversammlung des Trägervereins des Theaters am Meer standen unter anderem zahlreiche Ehrungen, Jahresabschlüsse und Wahlen auf der Tagesordnung. Theaterleiter Arnold Preuß legte für die Spielzeit 2023/24 ein leicht gestiegenes Besucherergebnis vor. „Wir haben im Abonnementsspielplan mit 5 Inszenierungen 6.954 Besucher erreicht bei 89 Aufführungen im kleinen Schauspielhaus in der Kieler Straße 63. Dies ist gegenüber der vorherigen Spielzeit mit 6919 eine erfreuliche kleine Steigerung“, so Preuß. „Wenn wir die Sonderprogramme bestehend aus Lesungen, Vorträgen und Aufführungen der Theaterschule hinzunehmen, haben wir sogar ein Gesamtergebnis von 7.702 Besuchern gegenüber 7.597 Besucher in der Spielzeit zuvor.“
MIT „HERR PUNTILA UN SIEN KNECHT MATTI“ FING ALS ÜBERSETZER ALLES AN
NIEDERDEUTSCHES THEATER IN WILHELMSHAVEN
Mit „Herr Puntila un sien Knecht Matti“ fing als Übersetzer alles an. Arnold Preuß übersetzt Theaterstücke aus dem Hochdeutschen ins Plattdeutsche. Wie der 71-Jährige zu dieser Arbeit kam, war eher dem Zufall geschuldet.
Dieser Artikel ist erschienen in der Wilhelmshavener Zeitung
von Wolfgang Niemann
Wilhelmshaven - Wie gut, dass diese Großeltern so „unartig“ waren, als Arnold Preuß über viele Jahre bei ihnen aufwuchs. Seine Eltern hatten ausdrücklich festgelegt, dass Hochdeutsch mit dem Jungen gesprochen werden sollte. Was für ein Glück für den Enkel und die Nachwelt, dass Oma und Opa aber fast nur Platt sprachen, denn was wären die Niederdeutsche Bühne Wilhelmshaven beziehungsweise das „Theater am Meer“ ohne ihn als Schauspieler, Regisseur und Intendant. Und nicht zu vergessen als Übersetzer. Wie der gelernte Verwaltungsbeamte dazu kam, ist eher dem Zufall geschuldet. Für die Niederdeutschen Tage 1989 wollte Wilhelmshaven als Gastgeber etwas Besonderes bieten: ein Stück vo n Bertolt Brecht auf Platt. „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ sollte es sein, doch die Brecht-Erben erteilen keine Aufführungsrechte für Amateurbühnen. Das Problem umschiffte man, indem die Landesbühne Niedersachsen Nord als Co-Partner auftrat und deren Chef Georg Immelmann die Regie übernahm.
Mit Bertolt Brecht fing alles an
Blieb ein anderes, grundlegendes Problem: eine niederdeutsche Fassung gab es nicht. Da erklärte Arnold Preuß, der seit 1987 an der Landesbühne mitwirkte und für die Rolle des Matti vorgesehen war: „Dann mach ich das eben.“ So wurde aus Brechts Volksstück nun „De Herr Puntila un sien Knecht Matti“ und diese Inszenierung erlebte in der niederdeutschen Erstaufführung im Mai 1989 eine triumphale Festaufführung. Preuß aber hatte das Übersetzen so viel Spaß gemacht, dass diesem Erfolg mittlerweile 62 weitere Stücke folgten. So manche dieser fast allesamt am Theater am Meer inszenierten niederdeutschen Erstaufführungen wurden dann auch von anderen Bühnen nachgespielt. Mal waren es Klassiker wie von Moliere, mal Klassiker des Boulevard wie „Allens ut de Reech“, im Ursprung von Ray Clooney. Große Honorare seien damit aber nicht verbunden, betont Preuß, denn für derartige Adaptionen gibt es nur wenige Prozente. Wichtig ist ihm vielmehr, nicht immer nur das zu spielen, was woanders schon gelaufen ist. Und er hat so seine Phasen, wenn er zum Beispiel die englischen Komödien mit dem schwarzen Humor übersetzt – und der Publikumserfolg gibt ihm recht. Stets hat er Dutzende von Textbüchern daheim liegen, die auf eine Übersetzung warten. Da bringt er dann den neuen niederdeutschen Text parallel auf die Seite mit dem hochdeutschen Original und das wird von der Übersetzung quasi verdrängt. Als Hilfsmittel dient lediglich „Der kleine Sass“ wegen Rechtschreibung und Grammatik, denn Platt hat seine eigene Syntax.
Preuß übersetzt als Schauspieler
Nun ja, ich bin Arnold Preuß, geboren in Wilhelmshaven und lebe ich auch heute noch [zunehmend gern!] in der grünen Nordseestadt hinter dem schützenden Deich am Meer.
Theater am Meer
Seit über 50 Jahren (genau seit 1972) spiele und inszeniere ich als Mitglied des "Theater am Meer - Niederdeutschen Bühne Wilhelmshaven" Theaterstücke in Niederdeutscher Sprache. Dabei habe ich es auf mehr als 100 gespielte Rollen und über 60 Inszenierungen gebracht. Gelegentlich gastiere ich auch gelegentlich dort, wo es eine interessante Rolle (auch hochdeutsche) zu spielen oder ein faszinierendes Stück zu inszenieren gibt.
Übersetzer
Zum Übersetzen hat mich meine Tätigkeit als Leiter des Theaters am Meer gebracht. Die Palette an original in Niederdeutscher Sprache geschriebenen Stücken hat mir nicht mehr ausgereicht. Ich wollte den Spielplan unseres Theaters um Themen, Typen und Texte aus anderen Sprachräumen ergänzen. So fing ich mit einer Übersetzung von Brecht an. Das machte mir so viel Spaß, dass auch Werke von Gogol, Moliere, Hebbel und Goldoni den Weg auf die niederdeutsche Theaterbühne fanden. Später kamen noch Übersetzungen von Stücke aus dem vorwiegend englischsprachigen Raum dazu, weil mir als Regisseur der englische, schwarze Humor besonders gut gefällt und wie man an Aufführungszahlen ablesen kann, dem niederdeutschen Publikum offensichtlich auch. Mitlerweile habe ich rund 60 Theaterstücke in die Niederdeutsche Sprache übersetzt.
Seminare + Sprecher
Einige Jahre war ich auch als Seminarreferent für das breite Spektrum des Theaterspielens tätig. Ebenfalls war ich als Sprecher für Hörspiele tätig.
Landesbühne Niedersachsen Nord
Von 1987 an war ich Verwaltungsdirektor später dann kaufmännischer Geschäftsführer der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven. Von 1996 bis 1998 war ich in Personalunion zugleich auch interimistisch der künstlerische Geschäftsführer, der die Aufgaben des Intendanten mit übernahm. In meiner Zeit an der Landesbühne war er auch Mitglied im Ensemble und spielte in Wilhelmshaven und im Spielgebiet einige Rollen unter nahmhaften Regisseuren wie Herbert Adamec, Thierry Bruehl, Jegor Wyssozki und Donald Berkenhoff. Bei diesen Kollegen habe ich künstlerisch eine Menge lernen.
Heute bin ich wieder mit großer Liebe, Lust und Leidenschaft an "meinem" Theater am Meer tätig. Dieses "Kleine Schauspielhaus" nimmt einen großen Raum in meinem jetzigen "unruhigen" Pensionärsleben ein.